Es gibt mal wieder Neuigkeiten aus Ventimiglia!
So sah die Lage bis Anfang Mai noch aus:
Seit mittlerweile etwa einem Jahr unterstützen unabhängige Aktivist_innen gemeinsam mit Kesha Niya Kitchen mit einem Frühstück an der Grenze die Menschen auf der Flucht, die bei Menton aus „Kurz-Haft“ entlassen werden. Das Frühstück findet nach wie vor ca. 1 km vor der französischen Grenze bei Menton statt. An dieser Straße müssen die Zurückgewiesenen oder aus der Region abgeschobenen Menschen zurück nach Ventimiglia, nach Italien, laufen. Der Großteil besteht aus Menschen, die beim Grenzübertritt zu Fuß/per Bus/Bahn von der französischen oder italienischen Polizei festgenommen wurden. Die meisten wurden am vorigen Tag oder Nacht festgenommen und bis zum nächsten Tag festgehalten. An dieser Anlaufstelle wird allen Vorbeikommenden Getränke, Essen, Informationen, Wifi und die Möglichkeit, Mobiltelefone zu laden, angeboten. Wichtig sind dabei vor allem Informationen über rechtliche Möglichkeiten und über soziale Einrichtungen in Ventimiglia. Uns gibt der Kontakt eine Möglichkeit, Polizeigewalt zu dokumentieren und Informationen über die Vorgänge an der Grenze zu verbreiten. Auf den französischen Einreiseverbots Papieren, dem „Refus d’entrée“, den die meisten Menschen an der Grenze erhalten, ist ein eindeutiges Muster beim Ausfüllen seitens der französischen Polizei zu erkennen. In der Regel ist die Begründung für das Einreiseverbot, dass die entsprechende Person eine „Gefahr für die öffentliche Ordnung, die nationale Sicherheit/Gesundheit oder für die
internationalen Beziehungen eines oder mehrerer EU-Staaten“ darstelle. In 99% der Fälle wurde dieses Kästchen von der Polizei auf den Papieren angekreuzt. Allerdings werden diese vermeintlich „gefährlichen Personen“ im Anschluss in Italien frei gelassen.

Jeden Tag begegnen uns zahlreiche Personen deren französische Dokumente, d. h. ihre Aufenthaltsgenehmigung in Frankreich, von der französischen Polizei nicht anerkannt, gestohlen oder vor ihren Augen zerstört wurden. Auch Geburtsurkunden von Minderjährigen, die fälschlicherweise als volljährig registriert wurden, werden massenweise von der französischen Polizei gestohlen. Diese Dokumente zurückzubekommen oder die Polizei auch nur dazu zu bringen zuzugeben, dass sie die Dokumente entnommen haben, ist uns bisher noch nicht gelungen. Wie die Situation aktuell ist:
In den letzten zwei Wochen kam immer wieder die „polizia“ (Polizei), die „polizia locale“ (lokale Polizei) und die „digos“ (Zivilpolizei) zu dem Ort des Frühstücks.

Gestern, am 6.5.19, ist die Polizei auf die Aktivist_innen, die das Frühstück ausrichten, zugegangen und hat ihnen verboten, das weiterhin zu tun. Das Essen musste abgebaut werden, außerdem wurden Personen (mal wieder) auf ihren Ausweis kontrolliert. Im Laufe des Gesprächs wurde klar, dass dieser neue Umgang darauf zurückzuführen ist, dass Nachbar_innen sich davon gestört fühlen, dass den Flüchtenden an der Straße Lebensmittel und Informationen angeboten werden. Es wurde sich darauf berufen, dass es in Ventimiglia ein generelles Verbot gäbe, Essen zu verteilen (absurd genug). Faktisch gab es dieses Verbot zwar mal, das ist nach unseren Recherchen aber nicht mehr aktuell. Die Polizist_innen sind mit der Ansage weggegangen, dass die Aktivist_innen an der Stelle sitzen dürften, aber nichts mehr verteilen sollen.
Am 7.5. ist die Polizei wiedergekommen, hat alle Aktivist_innen mit Vornamen angesprochen und erneut auf das Verbot hingewiesen.

Was bedeutet das?
Insgesamt ist klar, dass die neuen Formen der polizeilichen Repression dazu führen sollen, aktivistische und solidarische Handlungsformen zu unterdrücken. Die Menschen, die der Situation Aufmerksamkeit schenken, werden eingeschüchtert und die Arbeit wird mit allen möglichen Mitteln erschwert.
Zu allen neuen erschwerten Umständen dazu ist die Gruppe Kesha Niya zur Zeit sowieso in einer schwierigen Situation. Neben ihren täglichen Aufgaben wie die Food Distribution und weiteren Aktivitäten steht der Umzug auf ein neues Gelände an. Außerdem ist das letzte verfügbare Auto der Gruppe kaputt gegangen und nun steht nur noch ein Mietauto und eines einer Aktivistin, die den Ort bald verlassen wird, zur Verfügung.

Und jetzt?
Die Menschen vor Ort brauchen Unterstützung, um weiterhin konkrete Solidarität mit Menschen auf der Flucht zeigen zu können – daher an dieser Stelle nochmal: das ist ein call for people, call for action, call for money! Wenn du Zeit-Energie-Ressourcen hast, solidarische Menschen kennst, die losfahren wollen, eine Soli-Party schmeißen kannst – dieser Spot braucht diesen Support!
Was konkret gebraucht wird:

  • Menschen vor Ort;
  • ein Auto (wenn sich dieses irgendwo zwischen hier und Norditalien befindet finden wir sicher
    einen Weg, das runter zu fahren);
  • Geld;
  • mediale Aufmerksamkeit !
  • Teilt diesen Aufruf gern mit Freund_innen, Genoss_innen, euren Gruppen, auf aktivistischen Mailinglisten und sozialen Netzwerken, Veranstaltungen, … und meldet euch! Solidarität muss praktisch werden!
    Mehr Infos zur Situation findet ihr auf verschiedenen Websites, zum Beispiel der Facebook-Seite der Gruppe Kesha Niya!