Wir danken dem*der Aktivist*in für die Bereitstellung seines*ihres Erfahrungsberichtes.
29.04.19
Das Breakfast findet nach wie vor ca 1 Kilometer vor der frz. Grenze vor Menton statt, am Rand der Straße auf der so gut wie alle der Zurückgewiesenen oder aus der Region abgeschobenen Leute zurück Richtung Italien laufen müssen. Teilweise sind auch Menschen dabei, die in Paris oder Marseille festgenommen werden, aber der Großteil besteht aus Menschen, die beim Grenzübertritt zu Fuß oder per Bus oder Bahn von der frz. oder ital. Polizei festgenommen wurden. Die Meisten wurden am vorigen Tag oder Nacht festgenommen und bis zum nächsten Tag festgehalten. Der Aufbau des Breakfast beginnt zwischen 9 und halb 10, wenn die ersten Leute freigelassen werden. Die Freigelassen kommen ab dann einzeln oder in Kleingruppen in Abständen von ca. 10 Minuten die Straße von der Grenze herauf. Sie mussten meistens eine Nacht in frz. „garde a vue“ verbringen und wurden dann mit einem „refus d’entre“ Zettel auf die italienische Seite geschickt, wo sie abermals von der ital. Polizei kontrolliert wurden. Es
passiert oft, dass die frz. Polizei die Papiere der Einreisenden vernichtet, Leute mit legalem Status in Frankreich werden so oft gezwungen nach Italien zu gehen. Beim Breakfast werden allen Vorbeikommenden Getränke, Essen, Informationen, Wifi und die Möglichkeit Mobiltelefone zu laden angeboten. Wichtig sind dabei vor allem Informationen über rechtliche Möglichkeiten und über soziale Einrichtungen in Ventimiglia.
Das Breakfast Team besteht meisten aus 2-3 Leuten, die Kaffee, Wasser und Essen kochen und Neuankömmlinge begrüßen und informieren. In letzter Zeit kommen aber auch vermehrt Aktivist_innen von Save-the-children, Caritas und OxFam aus Ventimiglia für 1-2 Stunden dazu. Das ist oft eine große Hilfe, da viele Menschen gute italienisch Kenntnisse haben. Auch Krankenpfleger_innen und Psycholog_innen von Medecins-du-Monde (?) waren in letzter Zeit gelegentlich anwesend und brachten ihr Fachwissen ein.
Viele Leute benötigen gerade das, da sie auf den langen Fußmärschen oft Fußverletzungen erleiden oder auch oft von der Polizei seelisch und körperlich misshandelt werden. Vor allem von der frz. Polizei hörten wir nahezu täglich, dass diese Pfefferspray und körperliche Gewalt im Gewahrsam eingesetzt hätten. Das frz. Arrestgefängnis an der Grenze bei Menton besteht nur aus Wänden und einem Gitter anstelle eines Daches. Das die Gefangen Essen und Wasser im Arrest erhalten passiert in den wenigsten Fällen. Meistens kommen übernächtigte hungrige und durstige Menschen zum Breakfast. Nicht selten verbringen die Leute mehrere Nächte am Stück in diesen Verhältnissen im frz. Arrest.
Es gab z.B. einen Fall vor zwei Wochen, wo ein Algerier mit guten deutsch Kenntnissen erzählte, dass er vier Nächte am Stück ohne Essen, Trinken und Schlaf im Arrest verbringen musste. Am letzen Tag wurde er anscheinend von den Wärtern so heftig zusammengeschlagen, dass er einen gebrochen Arm und eine offene Wunde am Kopf davon trug. Er erzählte, dass er bereits vor 9 Jahre nach Deutschland gekommen wäre und seitdem dreimal abgeschoben wurde, sowie drei Jahre dort im Gefängnis verbracht hätte. Ich vermute, dass dies die Rechtfertigung für die „Sonderbehandlung“ durch die frz. Polizei gewesen ist.
Eine einfache aber wichtige Aufgabe beim Breakfast ist die Begleitung der aufbrechenden Menschen zur nächsten Bushaltestelle. Diese ist sehr schwer zu erkennen und es kam schon vor, dass der Bus nicht hielt, wenn keine hellhäutige Person anwesend war. Sonntags fahren gar keine Busse, dann ist es hilfreich wenn Sammeltaxis für die Fahrt nach Ventimiglia bestellt werden. In Einzelfällen bringen Aktivist_innen auch Verletzte, Schwangere oder Familien mit Kindern nach Ventimiglia zum Krankenhaus, Bahnhof oder zum Campo Croce Rossa.
Die Zahl der Leute die am Breakfast vorbeikommen, schwankt stark. Die meisten Tage sind es zwischen 30-50 Personen, an anderen Tagen wiederum 140 oder nur 20 Personen. Das liegt zum einen an der schwankenden Motivation der Refugees, aber auch an der politischen Lage und der daraus resultierenden Polizeiaktivität.
Z.B. gab es vor einigen Wochen ein Treffen zwischen dem französischen und dem chinesischen Präsidenten in Nizza, wo kurz davor die Kontrollen und Festnahmen hochgefahren wurden, so dass am folgenden Montag 110 Personen beim Breakfast auftauchten.
Die Reaktionen der Anwohner auf das Breakfast sind sehr durchmischt. manche wechseln die Straßenseite oder beleidigen, andere bleiben auf einen Kaffee oder bringen Sach- oder Geldspenden. Ein Refugee erzählte uns außerdem, dass an der Grenze nicht weit vom Breakfast Bärenfallen aufgestellt wurden. Er sagte, dass er nachts beim Grenzübertritt auf einem kleinen Pfad im Dickicht einen anderen Refugee gesehen hätte, der in einer Bärenfalle feststeckte und stark am bluten war. Er hätte es der Polizei gesagt als sie ihn morgens in Marseille festnahmen. Zeitlich und örtlich stimmt diese Information mit der Beobachtung vom Breakfast-Team darin überein, dass an jenem morgen ein französischer
Rettungshubschrauber in der Nähe an der Grenze landete und etwas später in Richtung Monaco davon flog.
Bei der Food-Distribution in Ventimiglia sind grad nur noch so um die 50 Leute täglich. Das Rote-Kreuz-Camp lehnt neuerdings ständig Leute ab und die Polizei vorm Camp sagt den Aktivist_innen, dass sie sich nicht in der Straße aufhalten dürfen.
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